Das elfte Open Flair fand unter dem Leitthema „Zwischen Gutenberg und Daten-Highway – Die (Ohn)Macht der Medien“ statt. Leo Bassi, den meisten noch aus dem letzten Jahr in bester Erinnerung, begleitete das Festival mit mehreren Auftritten und versprach drei Tage „Inferno nonstop“. Es warteten auch viele akustische Leckerbissen wie „The Hooters“ auf die Besucher und das alles zum Preis von 43 D-Mark für eine Dauerkarte. In vielen Diskussionen und Performance-Aktionen wie einem experimentellen Nachrichtenticker wurde erörtert, ob der Medienkonsument durch die auf ihn einprasselnde Masse an Informationen manipuliert werde und inwieweit Journalisten durch ihre Berichterstattung auch positive Entwicklungen anstoßen könnten. Mit Eckhard Henscheid und dem Kasseler Subkulturen-Professor Rolf Schwendter nahmen sich zwei Kleinkünstler der Thematik an. Eines der Projekte des Jugendbildungswerkes des Werra-Meißner-Kreises sollte die Keimzelle für die bis heute sendende Radiostation Rundfunk Meißner werden: Jugendliche stellten nach mehreren Seminaren ein Festivalradio auf die Beine, das über das Wochenende auf Sendung war.
Schon die Eröffnungsshow hatte es in sich, denn Leo Bassi inszenierte in der prall gefüllten Innenstadt seine eigene Version der Oper „Carmen“, an der unter anderem der örtliche Motorradclub als Backgroundchor und zahlreiche Jugendliche mitwirkten. Nachdem Bassi die Akteure im Zuge seiner Parade durch die Gassen Eschweges eingesammelt hatte, wobei er stilecht auf einem auf dem Dach eines Autos montierten roten Samtsessel thronte, gab es vor dem Rathaus das große Finale. Am Abend stand dann der Auftritt der New Model Army auf dem Programm. Die Band um Sänger Justin Sullivan brachte das Publikum derart in Wallung, dass die Absperrgitter nur knapp standhielten. Später verwandelte die französische Akrobatengruppe Jo Bithume das nächtliche Werdchen mit Licht, Musik und Poesie in ein Open-Air-Theater.
Am Samstag setzte zunächst der britische Künstler Les Bubb in seinem Programm „100.000 Volt“ die Gesetze der Physik außer Kraft und Matthias Deutschmann sorgte mit seiner satirischen Kritik am wiedervereinigten Deutschland für Glanzmomente und viele Lacher. Später enterte mit den Fantastischen Vier der Headliner des Tages die Hauptbühne und spätestens, als vor lauter Aufregung ohnmächtig gewordene Teenager aus der „Vier – Vier – Vier!!!“ skandierenden Menge gerettet werden mussten, war der Funke übergesprungen. Zu fortgeschrittener Stunde gab es eine weitere Aktion von Leo Bassi zu bewundern: In seiner Version des Jüngsten Gerichts trug er die meistgehassten Idole der Popkultur zu Grabe, nachdem ihnen unter lautem Beifall mithilfe von Baggern, Pyrotechnik und viel Wasser der Garaus gemacht worden war.
Zum Abschluss hatte der Sonntag noch einige Highlights in petto. Legendär war der finale Auftritt des Anarcho-Clowns, der „sein“ Open Flair mit der gigantischsten Tortenschlacht beendete, die Eschwege jemals gesehen hatte. Abschließend brachten The Hooters, die eigentlich schon 1994 als Hauptact geplant gewesen waren, die Wände des Hauptzelts zum Wackeln. Davon ließen sie sich nicht einmal durch eine Erkrankung ihres Gitarristen abhalten, der den Gig einfach hinter der Bühne bestritt. Mit ihrer Mischung aus gefühlvollen Balladen und mitreißenden Rocksongs begeisterten sie das Publikum und mussten mehrere Zugaben spielen. So ging ein weiteres außergewöhnliches Open Flair zu Ende.
Von Christine Clever